Burkas, Schwingfest, Wahlen: Vorschau auf die Glarner Landsgemeinde 2017

In gut zwei Wochen ist es soweit: Auf dem Zaunplatz in Glarus versammeln sich die Stimmberechtigten zur diesjährigen Glarner Landsgemeinde. Mit 10 Traktanden ist das Programm dieses Jahr unterdurchschnittlich befrachtet. Dennoch wird die Versammlung nicht allzu bald beendet sein, denn einige Geschäfte versprechen ausgedehnte Diskussionen.

Dies gilt insbesondere für den Memorialsantrag für ein Verhüllungsverbot (im Volksmund als «Burkaverbot» bekannt). Dieser war vor zwei Jahren vom SVP-Politiker Ronald Hämmerli eingereicht worden. Er orientiert sich am Tessiner Verhüllungsverbot, welches 2013 in einer Volksabstimmung klar angenommen wurde. Zwar kann die Burka bzw. der Nikab im Glarnerland nicht als dringendes Problem angesehen werden: die zuständige Kommission des Landrats schätzt die Zahl vollverhüllter Frauen im Kanton auf «null bis zwei». Dennoch zeigten sich Regierungsrat und Teile des Landrats offen für das Anliegen. Sowohl Regierung als auch Parlament lehnen den Memorialsantrag aber ab mit dem Verweis auf die Entwicklungen auf Bundesebene: Dort ist bekanntlich eine Volksinitiative für ein schweizweites Verbot hängig. Glarus solle abwarten, bis die Diskussion auf Bundesebene abgeschlossen sei. Ob die Landsgemeinde diesem Antrag folgen wird, ist offen.

Das Verhüllungsverbot ist das Geschäft, das ausserhalb des Kantons die grösste Aufmerksamkeit erhalten wird, doch auch andere Vorlagen dürften zu reden geben. So etwa die Änderung des Raumentwicklungs- und Baugesetzes, die ganz am Ende behandelt wird. Diese wurde nicht zuletzt aufgrund des neuen Raumplanungsgesetzes auf Bundesebene nötig. Im Vorfeld gab die vorgesehene Einführung eines Kaufrechts für die Gemeinden zu reden. Damit sollen Gemeinden das Recht erhalten, für die Entwicklung wichtige Grundstücke zum Verkehrswert zu kaufen, wenn der Eigentümer diese nicht innert zehn Jahren bebaut. Ebenfalls umstritten war die sogenannte Mehrwertabgabe. Diese sollen Grundeigentümer zahlen, wenn ein Grundstück infolge einer Zonenänderung mehr Wert erhält. Der Landrat hatte beschlossen, dass die Abgabe mindestens 20 Prozent des Mehrwerts betragen soll, die Gemeinden können aber darüber hinausgehen. In beiden Punkten ging das Gesetz aus Sicht der SVP zu weit; sie unterlag im Parlament mit ihren Anträgen jedoch.

Weniger umstritten war im Landrat das neue Gesetz über die politischen Rechte. Dieses soll das bisherige Abstimmungsgesetz ersetzen. Es übernimmt dessen Bestimmungen zu einem grossen Teil, konkretisiert sie aber teilweise. Materielle Änderungen sieht das neue Gesetz beim Wahlsystem für den Landrat vor: Die Sitze sollen nicht mehr nach dem sogenannten Hagenbach-Bischoff-Verfahren (das auch bei den Nationalratswahlen zur Anwendung kommt), sondern nach dem Sainte-Laguë-Verfahren verteilt werden. Bei letzterem werden die Sitzansprüche mit Standardrundung entweder auf- oder abgerundet. Das bisherige Hagenbach-Bischoff-Verfahren rundet immer ab, wodurch tendenziell grosse Parteien bevorzugt werden. Als weitere Änderung wird die Rechtsgrundlage geschaffen, damit die elektronische Stimmabgabe (bei Urnenabstimmungen und -wahlen) für alle Stimmberechtigten zugänglich gemacht werden kann. Bisher ist E-Voting ausschliesslich für Auslandglarner möglich. Allerdings ist sobald nicht mit einer Ausweitung zu rechnen, da Glarus derzeit kein E-Voting-System (mehr) hat.

Das neue Gesetz betrifft auch die Landsgemeinde: So wird das Verfahren bei Wahlen erstmals gesetzlich geregelt. Zudem hält das Gesetz explizit fest, dass an der Landsgemeinde per offenem Handmehr abgestimmt wird. Dieses Thema wird wohl bald separat vor die Landsgemeinde kommen: Der Unternehmer Hansjörg Stucki hat angekündigt, einen Memorialsantrag einzureichen, um elektronische Hilfsmittel an der Landsgemeinde zu ermöglichen.

Unmittelbar nach dem Gesetz über die politischen Rechte wird es sportlich: Die Landsgemeinde hat über einen finanziellen Beitrag des Kantons Glarus von bis zu 2.2 Millionen Franken an die Durchführung des Eidgenössischen Schwing- und Älplerfests 2025 in Mollis zu entscheiden. Zwar wird der Entscheid über den Austragungsort erst in vier Jahren fallen (im Rennen ist neben Mollis auch Winkeln im Kanton St. Gallen). Regierungs- und Landrat wollen aber schon jetzt das Signal aussenden, dass der Kanton die Kandidatur unterstützt. Sie sprechen von einem «Generationenprojekt, welches mit seiner Grösse und Ausstrahlung für Aufbruchsstimmung im Kanton sorgen wird». Der Landrat stimmte dem Memorialsantrag einstimmig zu.

Ebenfalls unbestritten war im Parlament eine Änderung des Steuergesetzes, welches als erstes Sachgeschäft (nach der Besetzung von vier Richterstellen) beraten wird. Das Gesetz soll dahingehend angepasst werden, dass Inhaber von Jungunternehmen bis zu zehn Jahre lang von einem reduzierten Ansatz bei der Vermögenssteuer profitieren können. Damit soll der Standort Glarus für Start-Ups attraktiver gemacht werden.

Weitere Traktanden betreffen die Bildungspolitik (Änderung des Einführungsgesetzes zum Bundesgesetz über die Berufsbildung) und die Justiz (Kantonalisierung der Schlichtungsbehörden).

Traditionsgemäss ist auch dieses Jahr ein Bundesrat an der Landsgemeinde zu Gast: erstmals kommt Verteidigungsminister Guy Parmelin zum Zug. Zu den weiteren Ehrengästen gehören der ganze Regierungsrat des Kantons Luzern sowie der Chef der Armee, Philippe Rebord. Die Leitung der Landsgemeinde hat auch dieses Jahr Rolf Widmer inne. Er wurde vergangenes Jahr zum Landammann gewählt, seine Amtszeit dauert bis 2018.

Die Landsgemeinde findet dieses Jahr am gleichen Tag wie der zweite Wahlgang der französischen Präsidentschaftswahlen statt. Nach dem Mittagessen dürfte sich die Aufmerksamkeit somit auch im Glarnerland bald von der kantonalen Politik auf die internationale Politik verschieben. Hier wie dort hoffen wir auf spannende und hoffentlich friedliche demokratische Entscheide.

Veranstaltungshinweis
Am Vorabend der Landsgemeinde lädt das Lesecafé Bsinti in Braunwald zum «Landsgemeinde-Talk». Unter dem Titel «Macht direkte Demokratie glücklicher? Eine europäisch-glarnerische Diskussionsrunde» diskutieren Politikwissenschaftler und alt Nationalrat Andreas Gross, Nationalrat Martin Landolt sowie Europarechtlerin Christa Tobler. Mehr Informationen hier.

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2 thoughts on “Burkas, Schwingfest, Wahlen: Vorschau auf die Glarner Landsgemeinde 2017

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